Wo komme ich her, wo gehe ich hin

Unter dieser Überschrift habe ich vor mehr als 3 Jahrzehnten im Rahmen einer Selbsterfahrungsgruppe meine ersten Schritte in Richtung Selbst-Erkenntnis unternommen. Obwohl ich diese Frage damals sehr faszinierend fand, konnte ich mir doch nicht vorstellen, das ich ihrer Klärung den Rest meines Lebens widmen würde. Nicht dass das etwas Besonderes wäre. Bewusst oder unbewusst tun wir dies alle. Und gerade in Zeiten größerer Herausforderungen und Umwälzungen, tritt sie mehr in unser Bewusstsein während sie zu anderen Zeiten eher überlagert wird von unseren alltäglichen Aufgaben.

Die Astrologie, vor allem die vedische mit ihrer Verwurzelung in den alten Traditionen von Wiedergeburt und Karma, kann einen enormen Beitrag zu dieser Thematik leisten. So können wir in einem Horoskop beispielsweise unsere Talente erkennen und die wichtigsten dharmischen und karmischen Themen, die wir zu bearbeiten hier angetreten sind. Doch oft unterliegen wir der Täuschung, dass unsere Lebensaufgabe mit einer Aktivität im beruflichen Bereich einhergeht. Das mag zwar durchaus der Fall sein und wir sollen ja auch alle unseren Beitrag zur Gesellschaft leisten, für das große Ganze. Doch meist liegt unsere wirkliche Lebensaufgabe meiner Meinung nach darin, etwas in uns selbst zu heilen. Uns selbst annehmen und lieben zu lernen und dann anderen verzeihen zu können und mit Mitgefühl gegenüberzutreten, ganz gleich, wie sehr wir uns von Ihnen verletzt gefühlt haben oder es immer noch tun. Diese enorm wichtigen Schritte zur Ganzwerdung kommen nicht mit viel Glanz und Trommelwirbel daher. Sie geschehen jenseits von Scheinwerferlicht und öffentlichem Jubel. Sie finden in uns selbst statt, machen uns innerlich reich und strahlen auf alle, auf das Ganze ab. Ich glaube fest daran, dass wir unser wahres Glück und unsere wahre Bestimmung auf dieser Ebene finden und dass dieser Prozess außerhalb der normalen, linearen Zeitrechnung abläuft. Es kann eine Einsicht, eine innere Stimme, ein Traum oder ein plötzliches Wissen sein, die eine Kaskade von weiteren inneren Prüfungen und Wachstumsschritten einleiten. Auch hier kann das eigene Horoskop helfen, die wichtigen Hinweise zu finden. Wir könnten uns Fragen stellen wie:

  • Wie sieht es mit meinem Selbstwertgefühl aus? Kann ich mich überhaupt annehmen? (Dazu muss ich dann das 2. Haus, Venus und auch die Sonne untersuchen)
  • Von wem fühle ich mich in meinem Leben am meisten gebremst? (Saturns Position oder ein sehr stark beschädigter Planet oder ein beschädigtes Haus anschauen)
  • Kann ich meine unbewussten Bedürfnisse und Nöte überhaupt spüren? Oder bin ich vielleicht auf der Ebene des verletzten oder des verlassenen Kindes hängen geblieben? (Analyse von Mond und 4. Haus)

Aber auch:

  • Was sind meine Kompensations- und Ausweichmechanismen? Versuche ich mich z.B. durch beruflichen Erfolg abzulenken? (z.B. besonders starke Planeten oder besonders stark besetzte Häuser) Oder dadurch, dass ich für alle anderen immer da bin und nie „Nein“ sage? (schwacher Herrscher von 1, Herrscher von 1 in 7 oder 10 etc.)
  • Definiere ich mich über Rollen im Leben oder andere Menschen im Leben? (Viele Planeten in einem Haus, das eine bestimmte Person anzeigt)

Alle diese Fragen können astrologisch unterstützt werden in ihrer Beantwortung. Die Fragen der ersten Kategorie helfen uns, unsere Identität und Aufgabe zu finden und die der zweiten Kategorie zeigen uns, wo wir Lebensenergie abgeben, verlieren, sozusagen „falsch investieren“. Solange wir Energie verlieren, abgeben, sie versickern lassen, haben wir sie für unseren eigenen Weg nicht zur Verfügung. Das soll nicht heißen, dass wir nun alle völlig selbstbezogen und rücksichtslos werden sollen – daran hat diese Welt wirklich keinen Mangel. Nein, wir sollen durch die Zuwendung zu uns selbst auch in die Lage versetzt werden, uns für andere zu öffnen. Deren Wunden nicht durch die Brille unserer eigenen Verletzung zu sehen, sondern durch die Brille des Mitgefühls.

Diese Gedanken können uns sicherlich alle weiterbringen, auch wenn die Antworten nicht sofort gefunden werden können. Wir brauchen Zeit, um mit uns in Kontakt zu kommen und dazu müssen wir erst mal einen Raum der Stille eröffnen und uns unseren inneren Stimmen zuwenden.

Und im Verlaufe dieses Prozesses stoßen wir möglicherweise auf ganz enge, schmerzhafte Stellen in unserem Körper und unserem Inneren. Stellen, die vor langer Zeit verwundet wurden und die wir seither unbewusst schonen, vor jeglicher Aktivierung abzuschotten versuchen. Das können die Folgen bekannter oder unbekannter Traumatisierungen zu sein, die Vorrang vor allen anderen Themen bekommen sollten. Leider ist in unserer Gesellschaft in genau hier noch ein ganz großer, kollektiver blinder Fleck vorhanden und das obwohl verschiedene Formen von Traumatherapie mittlerweile gute Ergebnisse erzielen können.

Alternativen zu therapeutischen Prozessen finden sich in vielen Kulturen, im Schamanismus und auf Ebenen der geistigen Heilmethoden.

Vor kurzem habe ich eine wunderschöne Erzählung aus den Traditionen der nordamerikanischen Ureinwohner*innen gehört, die mir nicht mehr aus dem Kopf geht und die ich gerne hier ganz kurz erzählen möchte: Wenn jemand aus den Reihen des eigenen Stammes Schreckliches erlebt hatte, also im heutigen Sprachgebrauch traumatisiert worden ist, dann wurde ein Zirkel „heiliger Zeug*innen“ gebildet. Um die betroffene Person wurde ein Kreis gezeichnet und die heiligen Zeuginnen setzten sich um diesen Kreis herum. Dann wurde die Person aufgefordert, sich in die Mitte des Kreises zu setzen und die eigene Geschichte exakt drei Mal zu erzählen. Die Zeuginnen hörten nur zu, bezeugten. Sie gaben keinerlei Kommentare ab, keinerlei Bekundungen von Schrecken, Mitleid etc. Ihre Aufgabe bestand „nur“ darin, zu bezeugen. Das Erlebte bekam somit Raum, wurde anerkannt. Anschließend durfte die betroffene Person das Erlebte nie mehr erzählen, weil das den Verlust des eigenen Spirits bedeutet hätte. Und das war in dieser Tradition gleichbedeutend mit dem Verlust der eigenen Lebenskraft, es kam dem Tod nahe. Doch das Wichtigste kommt jetzt: Dieser Prozess wurde nur eingeleitet, wenn die traumatisierte Person bereit war, sich von diesen Erfahrungen zu trennen. Sie loszulassen. Veränderungen einzuleiten auf dem eigenen Weg, sich nicht mehr über diese Erfahrung zu definieren. Nur dann.

Durch diese Entscheidung hat die Person sozusagen bekundet, dass sie die Verantwortung für sich und ihr eigenes Leben wieder in die eigenen Hände nimmt und der traumatisierenden Erfahrung die Energie entzieht. Das bedeutet unweigerlich auch, dass alle sekundären „Krankheitsgewinne“ aufgegeben werden müssen. Die eigenen schweren Erfahrungen können nicht weiter als Schutzschild benutzt werden, als Entschuldigung, warum bestimmte Anforderungen nicht erfüllt werden können. Durch diesen Prozess holt sich die Person „den eigenen Spirit zurück“, wie die amerikanischen Ureinwohner es ausdrückten. In unserem Sprachgebrauch könnten wir sagen: Der Mensch hat sich wieder gefunden, konnte wieder mit sich in Kontakt treten.

Vielleicht können diese Zeilen in einer aufgewühlten Zeit, in der wir uns nur allzu gerne von materiellen Dingen ablenken lassen und in der viele tiefsitzende Ängste durch Konsum unter Kontrolle gehalten werden sollen, dabei helfen, den Fokus nach innen zu richten. Nur dort finden wir Kraft, Erkenntnis und paradoxerweise die Verbindung zu anderen Menschen. Denn wenn wir uns gut genug erforschen, erkennen wir, dass wir uns von den „Anderen“ nicht wirklich unterscheiden. Wir teilen nicht nur die meisten Muster und Anliegen mit ihnen, sondern wir sind zutiefst verbunden mit allen anderen. Lasst uns dort den Fokus hinlenken helfen und die Welt wird eine friedlichere werden.